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Nach dem Tod des iranischen Regime-Präsidenten Ebrahim Raisi fordern Menschenrechtler, dass die Aufarbeitung der von ihm begangenen Völkerrechtsverbrechen weitergehen muss. Die internationale Gemeinschaft muss ihre Bemühungen um die Aufklärung dieser Verbrechen und die strafrechtliche Verfolgung der anderen für solche Taten verantwortlichen Regime-Funktionäre fortsetzen.
Zahlreiche geprüfte Dokumente belegen, dass der am 19. Mai bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommene Raisi jahrzehntelang eine aktive Rolle bei den Völkerrechtsverbrechen des iranischen Regimes gespielt hat. Menschenrechtsexperten haben schon vor Jahren internationale Strafverfahren gegen Raisi gefordert.
Amnesty International erklärte am 22. Mai, dass die Menschen im Iran weiter das Recht auf Gerechtigkeit, Wahrheit und Wiedergutmachung für die zahlreichen Völkerrechtsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen hätten, für die Raisi seit den 1980er Jahren in verschiedenen Machtpositionen verantwortlich gewesen sei.
„Gegen Ebrahim Raisi hätten zu Lebzeiten Strafverfahren eingeleitet werden müssen, unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Mord, Verschwindenlassen und Folter. Sein Tod darf seinen Opfern und ihren Familien nicht das Recht nehmen, die Wahrheit zu erfahren und mitzuerleben, dass alle anderen, die an seinen Verbrechen beteiligt waren, zur Rechenschaft gezogen werden“, sagte Diana Eltahawy, stellvertretende Regionaldirektorin von Amnesty International für den Nahen Osten und Nordafrika.
Diana Eltahawy wies darauf hin, dass für die Täter von Völkerrechtsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen im Iran seit Jahrzehnten eine systematische Straflosigkeit herrscht. Die internationale Gemeinschaft müsse jetzt handeln, um Wege zu öffnen, damit die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Im Iran würden die Verantwortlichen für solche Verbrechen sich nicht nur der Verantwortung entziehen, sondern auch mit Lob und hochrangigen Positionen innerhalb der Unterdrückungsmaschinerie belohnt werden. Daher sollten in deren Staaten nach dem Weltrechtsprinzip strafrechtliche Ermittlungen gegen iranische Funktionäre eingeleitet werden, die begründeter Verbrechen nach dem Völkerrecht verdächtigt werden, um sicherzustellen, dass die Täter vor Gericht gestellt und für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden.
Opfer der Massenhinrichtungen von politischen Gefangenen im Jahr 1988
Nach Angaben von Amnesty International hatte Ebrahim Raisi, der 1980 im Alter von 20 Jahren zum Generalstaatsanwalt von Karaj in der Provinz Alborz ernannt wurde, verschiedene leitende Justiz- und Regierungspositionen inne, bevor er 2021 Präsident wurde. In den 1980er Jahren sei er direkt an dem Verschwindenlassen und den außergerichtlichen Hinrichtungen tausender politischer Dissidenten beteiligt gewesen. In späteren Jahren sei er verantwortlich für die rechtswidrige Tötung, willkürliche Inhaftierung und Folterung tausender Demonstranten, die gewaltsame Verfolgung von Frauen und Mädchen sowie andere schwere Menschenrechtsverletzungen gewesen.
Ebrahim Raisi hat bei den Massenhinrichtungen des Jahres 1988 eine entscheidende Rolle gespielt. Dabei handelt es sich um ein organisiertes staatliches Massaker, das im Sommer und Herbst 1988 auf Befehl des damaligen Regime-Führers Khomeini an politischen Gefangenen im ganzen Iran verübt wurde. Schätzungen zufolge fielen diesem Massaker bis zu 30000 Gefangene zum Opfer. Sie wurden gezielt ermordet, um jeden Widerstand gegen die Diktatur zu ersticken. Die Hingerichteten wurden von ihren Henkern in namenlosen Massengräbern verscharrt. Familienangehörige wurden eingeschüchtert und bedroht, damit keine Informationen über das Massaker an die Außenwelt gelangen.
Über die Hinrichtungen entschieden sogenannte „Todeskomitees“, die die Gefangenen in Prozessen, die nur wenige Minuten dauerten, gruppenweise zum Tode verurteilten. Das Todeskomitee, das über die Exekutionen in den Gefängnissen im Großraum Teheran entschied, hatte vier leitende Mitglieder. Einer von ihnen war Ebrahim Raisi. Allein in den Gefängnissen Evin und Gohardasht, für die Raisi zuständig war, wurden tausende Hinrichtungen vollstreckt.
Opfer der Massaker an friedlichen Demonstranten im Jahr 2019
Raisi war auch mitverantwortlich für die Ermordung von über 2000 Demonstranten bei den landesweiten Protestdemonstrationen im November 2019 und Herbst 2022. Als damals im ganzen Iran Bürgerinnen und Bürger gegen die Diktatur protestierten, haben Regime-Truppen Ansammlungen friedlicher Demonstranten mit scharfer Munition unter Beschuss genommen. Unter den Toten waren zahlreiche Frauen und Kinder. Tausende Protestierende wurden verletzt. Raisi, der 2019 Chef des Justizapparats und 2022 Regime-Präsident war, gehörte zu den Funktionären, die diese Massaker zu verantworten haben.
Außerdem war Raisi mitverantwortlich für die brutale Repression, die nach den Freiheitsprotesten vom November 2019 und Herbst 2022 folgte und bis heute andauert. Auf sein Konto gehen Massenverhaftungen im ganzen Land und Folter in den Gefängnissen. Viele Demonstranten wurden in Schauprozessen zu langjährigen Haftstrafen oder zum Tode verurteilt. Raisi trägt die Verantwortung für die Hinrichtungen von friedlichen Demonstranten in den Jahren 2019 bis 2024.
Menschenrechtler setzen sich für internationale Strafverfahren ein, damit diese Völkerrechtsverbrechen aufgeklärt und die Täter, zu denen viele aktuelle Funktionäre der Diktatur im Iran gehören, zur Verantwortung gezogen werden.
Auf der Grundlage des Weltrechtsprinzips können Völkerrechtsverbrechen auf der ganzen Welt strafrechtlich verfolgt werden, unabhängig davon, in welchem Land die Taten begangen wurden. Das Weltrechtsprinzip gilt bei Verbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Diese Straftaten verjähren nicht.
Nur wenn die bisherige Straflosigkeit ein Ende hat, können die aktuellen schweren Menschenrechtsverletzungen und Hinrichtungen im Iran gestoppt werden.